Bundesrat zieht Lehren aus Credit-Suisse-Krise und konkretisiert Massnahmen für Bankenstabilität
Die Analyse der Krise der Credit Suisse hat gezeigt: Das Too-Big-To-Fail-Dispositiv muss verbessert werden, um Risiken für den Staat, Steuerzahlende und die Volkswirtschaft zu verringern. Deshalb hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 6. Juni 2025 die Eckwerte für entsprechende Gesetzes- und Verordnungsänderungen festgelegt, die ab Herbst gestaffelt in die Vernehmlassung gehen.
Dazu gehören strengere Eigenkapitalvorgaben für systemrelevante Banken mit Tochtergesellschaften im Ausland, ergänzte Anforderungen zur Stabilisierung und Abwicklung systemrelevanter Banken, die Einführung eines Verantwortlichkeitsregimes für Banken sowie mehr Kompetenzen für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA). Der Bundesrat hat zudem eine Vernehmlassung eröffnet für diejenigen Massnahmen, die direkt auf Verordnungsstufe umgesetzt werden sollen.
Gestützt auf Artikel 52 des Bankengesetzes und Aufträge des Parlaments hatte der Bundesrat im April 2024 eine eingehende Evaluation der Regulierung systemrelevanter Banken (Too-Big-To-Fail-Dispositiv) durchgeführt und in seinem Bericht zur Bankenstabilität ein Massnahmenpaket vorgestellt. Die parlamentarische Untersuchungskommission «Geschäftsführung der Behörden – CS-Notfusion» (PUK) zog in ihrem Bericht vom Dezember 2024 ihre Lehren aus der Krise der Credit Suisse und stellte ebenfalls Handlungsbedarf fest.
An seiner Sitzung vom 6. Juni 2025 hat der Bundesrat die Massnahmen aus seinem Bericht und dem PUK-Bericht konkretisiert. Das Massnahmenpaket soll den Finanzplatz Schweiz stärken und die Risiken für den Staat, Steuerzahlende und die Volkswirtschaft vermindern. Es gibt Massnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe. Zu allen Massnahmen wird eine ordentliche Vernehmlassung durchgeführt.
Massnahmen auf Gesetzesstufe
Die Einführung eines Verantwortlichkeitsregimes soll die Prävention zusätzlich stärken. Banken müssen in einem Dokument festlegen, wer in einer Bank für welche Entscheide verantwortlich ist. Dies ermöglicht im Falle eines Fehlverhaltens eine klare Zuweisung der Verantwortlichkeit und somit gezielte Sanktionen, z.B. über die Rückforderung ausbezahlter variabler Vergütungen, die Streichung bzw. Kürzung gesperrter, noch nicht ausbezahlter Boni (siehe Faktenblatt zu Vergütungen) oder Massnahmen der FINMA wie Gewährsentzug und Berufsverbot. Für Banken mit einfacher Struktur soll der zusätzliche Aufwand gering ausfallen.
Zudem hat der Bundesrat beschlossen, das Potenzial zur Liquiditätsversorgung über die SNB auszuweiten. Einerseits sollen für die Übertragung von Sicherheiten durch Banken an die SNB rechtliche Vereinfachungen auf Gesetzesstufe verankert werden. Andererseits sollen auf Verordnungsstufe Vorgaben eingeführt werden, die die Banken zur Vorbereitung eines besicherten Liquiditätsbezugs bei der SNB und anderen Zentralbanken verpflichten. Bei systemrelevanten Banken soll dies anhand einer quantitativen Mindestanforderung erfolgen.
Auch die Aufsichtskompetenzen der FINMA sollen erweitert werden. Die FINMA soll früher und effektiver Massnahmen anordnen können (Frühinterventionen). Zudem soll die FINMA neu pekuniäre Verwaltungssanktionen (Bussen) gegen fehlbare Institute aussprechen können.
Weiter sollen die Anforderungen für Stabilisierungs- und Abwicklungspläne erhöht werden. Neu soll die FINMA Massnahmen zur Behebung von Mängeln in der Stabilisierungsplanung anordnen können. Weiter sollen auch die Abwicklungsoptionen erweitert und rechtlich verankert werden.
Weitere Massnahme auf Gesetzesstufe: Eigenkapitalunterlegung für ausländische Töchter beim Schweizer Stammhaus
Schweizer Banken müssen heute Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften nur teilweise mit Eigenkapital unterlegen. Verlieren diese Tochtergesellschaften an Wert, reduziert das auch hartes Eigenkapital des Stammhauses, das nicht für die Tochtergesellschaften bestimmt war. Dieses harte Eigenkapital fehlt somit im Stammhaus zur Deckung von Risiken des eigenen operativen Geschäfts. In der Krise der Credit Suisse konnte deshalb eine wichtige Massnahme zur Krisenbewältigung, der Verkauf gewisser Geschäftsfelder, nicht konsequent umgesetzt werden, da das Schweizer Stammhaus in der Folge die Eigenkapitalanforderungen nicht mehr erfüllt hätte. Damit war der strategische Handlungsspielraum der Credit Suisse stark eingeschränkt. Dies wäre auch bei einer Krise anderer systemrelevanter Banken problematisch.
Der Bundesrat sieht deshalb vor, dass systemrelevante Banken den Buchwert ausländischer Tochtergesellschaften (Beteiligungen) im Schweizer Stammhaus künftig vollständig vom harten Eigenkapital abziehen müssen (siehe Faktenblatt zu Eigenkapitalanforderungen). Diese Herangehensweise entspricht auch der Einschätzung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der FINMA zur Kapitalisierung der Stammhäuser. Damit wird sichergestellt, dass Wertverluste von ausländischen Tochtergesellschaften auf der Bilanz des Stammhauses keine Auswirkungen auf dessen hartes Eigenkapital haben. Gleichzeitig stärkt die Massnahme die Eigenkapitalausstattung des Stammhauses als Schweizer Einheit innerhalb der Gruppenstruktur. Umgekehrt verzichtet der Bundesrat, wie in seinem Bericht zur Bankenstabilität ausgeführt, auf Massnahmen zur allgemeinen Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen, die er als weniger geeignet beurteilt.
Höhere Eigenkapitalanforderungen führen dazu, dass eine Bank Fremdkapital durch Eigenkapital ersetzen muss. Für die Schätzung der Kosten dieser Massnahme wurden vom EFD zwei externe Gutachten in Auftrag gegeben (Gutachten Prof. Dr. Heinz Zimmermann und Gutachten Alvarez & Marsal). Zimmermann schätzt den Einfluss einer höheren Eigenkapitalausstattung auf die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten in diversen Szenarien. Alvarez & Marsal schätzen aufgrund der heute öffentlich verfügbaren Daten die Auswirkungen der vorgeschlagenen Massnahmen, das heisst den notwendigen Kapitalaufbau und dessen Kosten für die UBS. Das Gutachten Alvarez & Marsal gibt für die Auswirkungen Bandbreiten an und zeigt, dass die Kosten unter anderem in bedeutendem Mass durch Management-Entscheidungen beeinflusst werden.
Massnahmen auf Verordnungsstufe
Auf Verordnungsstufe eröffnet der Bundesrat bereits eine erste Vernehmlassung. Bei den Eigenkapitalanforderungen sollen strengere Bestimmungen für die Bewertung von Aktiven, die in Krisen nicht hinreichend werthaltig sind, gelten. Dazu zählen aktivierte Software oder latente Steueransprüche. Hinzu kommen präzisere Angaben zur Laufzeit und dem Aussetzen von Zinszahlungen für AT1-Kapitalinstrumente.
Die Liquiditätsanforderungen werden in dieser Vernehmlassung ebenfalls angepasst. Damit die FINMA und die Behörden die Lage von Banken in einer Liquiditätskrise jederzeit beurteilen können, sollen betroffene Banken künftig zeitnah vollständige und aktuelle Informationen und Szenarioanalysen übermitteln.
Die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe sind zielgerichtet und verhältnismässig. Sie stärken das Vertrauen in den Finanzplatz, was aus Sicht des Bundesrats für dessen Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit zentral ist.
Weiteres Vorgehen
Für die Gesetzesänderungen wird der Bundesrat auf Basis der vorliegenden Eckwerte im zweiten Halbjahr 2025 (Eigenkapitalunterlegung für ausländische Tochtergesellschaften beim Stammhaus) bzw. im ersten Halbjahr 2026 (restliche Massnahmen) je eine Vernehmlassungsvorlage präsentieren. Dabei sind namentlich für Eigenkapitalerhöhungen längere Übergangsfristen vorgesehen. Zur Umsetzung der neuen quantitativen Mindestanforderung im Bereich der Liquiditätsversorgung über die SNB und andere Zentralbanken wird im ersten Halbjahr 2026 zudem eine Vernehmlassung zur Änderung der Liquiditätsverordnung eröffnet.
Zu den bereits vorgelegten Massnahmen auf Verordnungsstufe wird bis am 29. September 2025 eine Vernehmlassung bei interessierten Kreisen durchgeführt. Ein Inkrafttreten ist frühestens ab Januar 2027 möglich.
Quelle: Bundesrat
10.6.2025